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Biologie

Wie Nagetiere ihre Schneidezähne schützen

Besonderer Zahnschmelz stärkt Zähne von Biber und Co

Schneidezähne-Paare von einem Nutria und einem Biber
Winzige Hohlräume im Zahnschmelz, die mit einem eisenhaltigen Material gefüllt sind, stärken und schützen die Schneidezähne von Nagetieren wie Nutrias (Coypus) und Bibern. © Adapted from ACS Nano 2024, DOI: 10.1021/acsnano.4c00578

Auf den Zahn gefühlt: Nagetiere wie Biber oder Eichhörnchen besitzen besonders massive Vorderzähne. Warum diese Schneidezähne so robust sind, hat nun ein Forschungsteam herausgefunden. Demnach verfügen die Nager über einen ausgeklügelten Zahnschmelz mit einer eisenhaltigen Außenschicht, die einen effektiven Schutzschild für die Zähne bildet. Die Erkenntnisse könnten auch die menschliche Zahnmedizin verbessern und zu neuen Zahncreme-Rezepturen führen.

Nicht nur unsere Zähne, sondern auch die von Tieren sind mit schützendem Zahnschmelz überzogen – einem sehr harten kristallinen Gewebe. Bei den wuchtigen Schneidezähnen von Nagetieren ist diese kristalline Substanz besonders wichtig, denn diese werden beim Nagen besonders stark beansprucht. Wegen der stetigen Abnutzung wachsen sie auch beständig weiter.

Die Nagerzähne verfügen zudem über eine zusätzliche äußere Schutzschicht aus säurebeständigem, eisenreichem Zahnschmelz, wie aus früheren Studien bekannt ist. Wie dieses eisenreiche Isoliermaterial entsteht und ob es auch für die auffällige orange-braune Farbe der Schneidezähne vieler Nagetiere verantwortlich ist, war jedoch bislang unklar.

Zähne unter dem Mikroskop

Um mehr über den Aufbau des Zahnschmelzes von Nagetieren zu erfahren, hat ein Forschungsteam um Vesna Srot vom Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart nun dessen mikroskopische Struktur und elementare Zusammensetzung genauer untersucht. Dafür sammelten die Forschenden die Schneidezähne verschiedener Nagerarten aus unterschiedlichen Umgebungen: Biber, Nutrias, Eichhörnchen, Murmeltiere, Ratten, Wühlmäuse und Mäuse.

Aus diesen Zähnen schnitten Srot und ihre Kollegen dünne Scheiben heraus und erstellten davon mehrere hochauflösende Bilder. Dafür nutzen sie zwei mikroskopische Methoden: die 3D-fokussierte Ionenstrahltomographie und die Rastertransmissionselektronen-Mikroskopie.

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Eisen sorgt für robusten Zahnschmelz, färbt ihn aber nicht

Die Aufnahmen offenbarten einen feinabgestimmten Reifeprozess bei der Bildung und Aushärtung des Zahnschmelzes: Zunächst produzieren spezialisierte Zellen im Kiefer der Nager Proteine, die Eisenionen speichern können, sogenannte Ferritine. Wenn sich dann an den wachsenden Schneidezähnen neuer Zahnschmelz bildet, lagert sich dieses Eisen darin ein.

Das geschieht in Form eines eisenhaltigen Materials, das dem Biomineral Ferrihydrit ähnelt, wie die Analysen ergaben. Dieses Material entsteht innerhalb der Ferritine, wird dann von den Zellen ausgeschieden und füllt schließlich winzige Hohlräume im kristallinen Zahnschmelz. Diese Taschen sind nur wenige Nanometer groß und befinden sich in der äußersten Schicht des Zahnschmelzes.

Die intensive orange-braune Farbe der Schneidezähne hatte indes nichts mit dem Eisengehalt des Zahnschmelzes zu tun, wie die Analysen ebenfalls offenbarten. Demnach kommt die Farbe durch eine andere Schicht an der Zahnoberfläche zustande, die aus aromatischen Aminosäuren und anorganischen Mineralien besteht.

Eisen im Zahnschmelz als Säureschutz

Das eisenhaltige Ferrihydrit-ähnliche Material macht insgesamt nur etwa zwei Prozent des Zahnschmelzes der Nager aus. Das reicht jedoch aus, um den Schmelz resistent gegenüber den von Mikroben produzierten Säuren zu machen. Das eingelagerte Eisen macht die Zähne somit noch robuster als sie ohnehin schon sind, wie das Team berichtet. Die Nager können dadurch problemlos auch hartes Holz durchnagen.

Doch offenbar benötigen einige Nagerarten stabilere Schneidezähne als andere. Denn die eisenhaltige Schicht im Zahnschmelz war bei den untersuchten Tieren unterschiedlich dick, wie die Bildaufnahmen zeigten. Am dicksten war sie bei Nutrias, am dünnsten bei Mäusen. „Die Gründe für die unterschiedliche strukturelle Anordnung bleiben unbekannt, können jedoch auf unterschiedliche Lebensgewohnheiten, Ernährungsgewohnheiten, Nageverhalten, genetischen Hintergrund und mechanische Belastungen zurückgeführt werden“, so das Team. Ein Biber braucht zum Bau seiner Holzbehausung vermutlich stabilere Zähne als eine Feldmaus.

Inspiration für unsere Zahncreme?

Nach Ansicht von Srot und ihren Kollegen könnten die Erkenntnisse auch unseren Zähnen zugutekommen. Sie vermuten, dass Ferrihydrit-ähnliche oder andere farblose Eisenmineralien auch unseren Zahnschmelz stärken und damit schützen könnten. Dafür müssten diese Substanzen wahrscheinlich nur in kleinen Mengen unseren Zahnpflegeprodukten wie Zahncremes beigemischt werden.

Auch in synthetischen Zahnschmelz könnten geringe Mengen von Eisenhydroxiden eingearbeitet werden, um langlebigeren Zahnersatz zu gewährleisten. „Diese Erkenntnisse ermöglichen die Schaffung einer völlig anderen Klasse von Dentalbiomaterialien mit verbesserten Eigenschaften, inspiriert von den genialen Designs der Natur“, schreiben die Forschenden. (ACS Nano, 2024; doi: 10.1021/acsnano.4c00578)

Quelle: American Chemical Society

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